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Johannes Homa im Interview über die Veranstaltungsreihe „AM Ceramics“

Herr Homa was war Ihre Motivation diese Veranstaltung ins Leben zu rufen?

Additive Fertigung von Keramik hat das Potenzial den Markt radikal zu verändern. Die verfügbaren Fertigungssysteme für Keramik haben bereits ein fortgeschrittenes Stadium erreicht und stellen eine wirkliche Alternative und sinnvolle Ergänzung zu klassischen Fertigungsmethoden dar. Dieser Entwicklungstrend hat großes Interesse in der Industrie und Forschung geweckt, aber auch Unsicherheit. Vielen potenziellen Nutzern ist noch nicht klar, wie sie mit dem Thema umgehen wollen, beziehungsweise welche Chancen und Risiken für ihr Unternehmen bestehen. Die Technologie ist nicht die eierlegende Wollmilchsau wie so manche behaupten. Es ist daher notwendig, einen tieferen Einblick in die Materie zu bieten und mit potenziellen Nutzern herauszuarbeiten, ob die Technologie für ihr Unternehmen, oder ihre Applikation zielführend ist.

Es besteht ein sehr hoher Bedarf nach relevanter Information und Aufklärung um weitere Schritte im Unternehmen setzen zu können.Vielen Veranstaltungen zu dem Thema fehlt es an Tiefgang. Es reicht nicht nur einen Überblick über die verschiedenen Fertigungstechnologien zu geben, sondern es ist notwendig, tiefer in die Materie einzudringen. Es geht bei der Veranstaltung nicht um das Schönfärben einer neuen Technologie, oder um eine Werbeveranstaltung, sondern um einen tieferen Einblick in die AM von Keramik zu geben und um das Vernetzen aller relevanten Stakeholder. Die Veranstaltung ist nicht als eine Eintagsfliege geplant, sondern als jährliches Fixevent für die AM Keramikcommunity.

 

Warum steht die Keramik im Vordergrund Ihrer Veranstaltung?

Während sich AM-Verfahren für Plastik und Metalle bereits am Markt etabliert haben, steht die Keramikindustrie erst am Beginn dieser Reise. Ein Grund für diese Verzögerung waren die besonderen Herausforderungen die die Keramik an die Entwicklung von adäquaten additiven Fertigungstechnologien gestellt hat. Keramik ist ein eher schwierig zu verarbeitendes Material, vor allem dann, wenn die gefertigten Bauteile eine hohe Dichte und gute Festigkeit aufweisen müssen.

Diese Hürde konnte bereits von einigen Unternehmen genommen werden. So bietet neben Lithoz beispielsweise auch die Schunk Ingenieurkeramik einen hervorragenden Prozess zur Additiven Fertigung von Keramik. Sie ist eine sinnvolle Ergänzung zur konventionellen Fertigung, besonders wenn es um die Realisierung von komplexen Bauteilgeometrien geht. Aber auch andere Industrien, die bisher mit anderen Werkstoffen gearbeitet haben, können von der Möglichkeit profitieren Keramik additiv zu fertigen.

 

Wo sehen Sie den Mehrwert für Unternehmen die bisher mit Metall oder ähnlichen Werkstoffen gearbeitet haben? Warum sollten sie auf Keramik umzusteigen?

Meine Standardantwort auf diese Frage lautet: Weil Keramik dort eingesetzt werden kann, wo andere Materialien versagen. Hierbei handelt es sich nicht um eine leere Satzphrase, sondern um eine Tatsache. Aufgrund ihrer Materialeigenschaften eignen sich Keramiken hervorragend für den Einsatz unter Extrembedingungen, wie etwa bei hoher Hitze oder in korrosiven Umgebungen. Keramik ist verschleißfest und hat eine gute elektrische und thermische Isolationswirkung. Gerade im Bereich Luft- und Raumfahrt, aber auch in der chemischen Industrie kann der Einsatz von Keramik eine Reihe von verbesserten und haltbareren Applikationen liefern.

Ein weiterer Benefit des Materials ist seine hohe Biokompatibilität. Für die Medizinindustrie heißt das beispielweise, dass keramische Implantate bei Patienten keine Allergien auslösen und im Vergleich zu metallischen Implantaten durch die niedrige thermische Konduktivität des Materials keine Schmerzen bei Wärmeeinwirkung (wie etwa bei Sonneneinstrahlung oder warmen Duschen) hervorrufen.Die Vielfalt an keramischen Werkstoffen und ihre herausragenden Materialeigenschaften machen Keramik zu einem Material, das für viele Industrien und Anwendungen eine hervorragende Alternative zu anderen Materialien darstellt.

 

Welchen wirtschaftlichen Nutzen hat der Keramik 3D-Druck fürs Unternehmen?

Während es wie gesagt schon viele Erfolgsbeispiele aus anderen AM-Bereichen gibt, ist die AM Keramikindustrie noch auf der Suche nach Applikationsinnovationen.  Das Thema Keramik und Applikationsentwicklung ist daher auch ein wichtiger Bestandteil der AM Ceramics 2016. Ziel ist es unseren Stakeholdergruppen zu einer ähnlichen Erfolgsgeschichte wie es in der Herstellung von Hörgeräteschalen geschehen ist zu verhelfen. Während Hörgeräte früher in mühsamer Handarbeit gefertigt wurden, werden heute rund 98% aller Hörgeräteschalen additiv gefertigt. Dadurch konnte eine hohe Kosten- und Zeitersparnis bei der Produktion erzielt werden. Die Additive Fertigung hat in diesem Bereich einen gesamten Markt revolutioniert. Aber der Einsatz von Additiver Fertigung eignet sich nicht nur für die Schaffung von Innovationen, sondern setzt schon beim aktuellen Tagesgeschäft von Keramikunternehmen an.

 

Welchen konkreten Nutzen können Unternehmen aus dem Einsatz von Additiver Fertigung von Keramik ziehen?

Der erste und wirklich augenscheinliche Nutzen entsteht durch die Tatsache, dass es sich bei der Additiven Fertigung um einen werkzeuglosen Fertigungsprozess handelt. Konkret bedeutet das, dass für die Erstellung eines Bauteils kein spezifisches Werkzeug angefertigt werden muss. Durch den Wegfall von kostenintensivem Werkzeugbau können die Kosten für Einzelstücke und Kleinserien dramatisch gesenkt werden. Auch die Personalisierung von Produkten ist dadurch ganz einfach zu realisieren. Man denke hierbei beispielsweise an die Schaffung von patientenspezifischen Implantaten. Aber auch der Bereich Produktentwicklung kann davon besonders profitieren. Unterschiedliche Prototypen können sehr schnell und zeitgleich hergestellt werden und seriennahe Tests durchgeführt werden.

Da für die Generierung eines Bauteils nur eine STL-Datei benötigt wird, können Designänderungen rasch und einfach direkt am Computer gemacht werden. Dadurch entstehen nicht nur bessere Produkte, sondern auch die Time-to-Market kann drastisch minimiert werden. Der Prototypenbau mittels AM Verfahren hat sich heute bereits am Markt als konventionelle Fertigungsmethode etabliert. Weitere interessante Anwendungsfelder für AM im Unternehmen sind zudem die Schaffung von funktionelleren Bauteilen. Hierbei geht es vor allem um das Thema Funktionsintegration.

Die additive Fertigung ermöglicht die Schaffung von komplexeren Bauteilgeometrien. Konkret heißt das, dass statt einem aufwendigen Zusammensetzen einzelner Bauteilelemente ein Bauteil entwickelt wird, das die notwendigen Elemente in einem vereint. Dadurch können nicht nur hohe Montagekosten eingespart werden, sondern auch mögliche Fehlerquellen ausgeräumt werden und die Haltbarkeit des Bauteils erhöht werden. Um die Vorteile und das Potenzial der Technologie richtig einordnen zu können, ist es auch notwendig sich mit den Grenzen der AM zu beschäftigen. Nicht jede Anwendung, nicht jedes Unternehmen benötigt ein Additives Fertigungssystem. Auch hier soll die „AM Ceramics“ Aufklärung bieten und mit gängigen Mythen aufräumen. Wir setzen auf einen offenen und kritischen Zugang zu dem Thema. Es nützt niemanden ein Nutzenversprechen zu geben, dass die Technologie nicht erfüllen kann. Das zerstört nicht nur Erwartungshaltungen beim Kunden, sondern ist hochgradig marktschädigend.

 

Sie sprechen von Mythen die es zu zerstören gibt. Können Sie uns dafür ein konkretes Beispiel geben?

Hier fällt mir spontan der Mythos ein, dass es in der Additiven Fertigung keine Designregeln und –limitationen gibt. Diese gibt es sehr wohl. So wie bei jeder anderen Fertigungstechnologie, gibt es auch hier Regeln die befolgt werden müssen. Hält man diese jedoch ein, können Bauteile gefertigt werden, die mit anderen Fertigungstechnologien nicht herstellbar sind. Wenn wir hier von Komplexität sprechen, geht es nicht nur um ästhetische Elemente, sondern um die Steigerung der Funktionalität. Innen liegende geschwungen Kanäle wären dafür ein Beispiel. Die können ausschließlich additiv gefertigt werden.

Häufig ist es auch notwendig die vorhandene Applikationsgeometrie zu verändern, nicht nur um sie fertigen zu können, sondern auch um die Funktionalität des Bauteils zu erhöhen. Die Fähigkeit, alte Designs neu zu überdenken und sich nach den neuen Designmöglichkeiten umzustrukturieren, stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Festgefahrene Denkhaltungen, die sich aus den Limitationen anderer Fertigungsverfahren im Unternehmen eingeschliffen haben, müssen aufgebrochen werden und eine neue Art zu konstruieren muss erst erlernt werden.

Hier bedarf es Unterstützung von AM-Designexperten, die Denkanstöße geben, aber auch konkrete Beispiele liefern. Reden alleine hilft hier nicht, praktische Beispiele können dabei eher helfen, die neuen Designmöglichkeiten aufzuzeigen. Unser Ziel ist es die Additive Fertigung von Hochleistungskeramik als ein konventionelles Fertigungsverfahren am Markt zu etablieren. Der Verkauf von Maschinen und Materialien alleine wären hier viel zu kurz gegriffen. Systemanbieter und Nutzer müssen sich auf Augenhöhe treffen und gemeinsam entlang der gesamten Prozesskette die Technologien für Unternehmen nutzbar machen. Und genau da setzt die AM Ceramics 2016 an.

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